Samstag, 25. August 2012

Olympia 2012 / London führt alles auf was es hat

Olympiaspiele interessieren mich nicht im geringsten. An dem Abend der Abschlussfeier musste ich dazu noch arbeiten.
Aber ich mag britische Musik und große Shows.
Deshalb hatte ich mir vorgenommen die Show anzusehen bei Gelegenheit.

 
Vorweg: drei Stunden und zwanzig Minuten sind ne Menge Stoff. Die Reden, Ehrungen usw hab ich also weitgehend übersprungen.
Zur Aufstellung: naja, einige Künstler hätte man sich schenken können wie z.B. One Direction. Falls überhaupt jemand weiß wer das ist. Für die restliche Mehrheit: es handelt sich um eine pubertierende Boy Band die offensichtlich einen Friseur teilt, denn die tragen alle die selbe Frisur. Die haben einen Song dargestellt, der höchstens schmachtende Teenies anspricht weil sie sich mit dem textlichen Inhalt angesprochen fühlen ("you light up my life...what makes you beautiful" und so). Wie gesagt, nichts was man gesehen oder gehört haben muss.
Wonderwall hingegen ist ein Klassiker, der so gar nicht in dieses Set passend wollte, zumal er direkt nach dem heiß erwarteten und rasendem Auftritt der Spice Girls kam. Das hatte einen heftigen Gähn-Effekt!!
Schön einnicken konnte man auch bei Ray Davies. Er mag ja als Urgründer des Brit-Pops gelten aber sein Auftritt war sterbens langweiiiiliiig. Die Leute wollen doch feiern oder gerührt sein, aber nicht gelangweilt.
Manchmal war man auch einfach nur irritiert. Jetzt Mal ehrlich, war der Song von der Band Muse nicht der fragwürdigste des abends? Also ich weiß nicht. Ich saß nur da und dachte mir: ich möchte das nicht.
Beispiel einer rührenden und künstlerisch gelungenen Inszenierung war John Lennon's Imagine. Das Kinderchor, die Gebärdensprache und sein Gesicht das aus diesen, von Artisten herbeigeführten Puzzleteilen zusammengestellt wurde. Großartig und ergreifend.
Viele Künstler wie David Bowie, Kate Bush, Sex Pistols und die Stones haben gefehlt. Im Internet liest man, dass sie ihren Auftritt verweigert haben. Bei manchen bin ich nicht traurig darum. Vor kurzem lief auf der Arbeit im Hintergrund ein Konzert der Stones. Nach zwanzig Minuten hab ich darum gebeten das "gejaule" abzuschalten. Wenn auch meine persönliche Meinung vielleicht irrelevant ist (ja, sie haben Musikgeschichte geschrieben usw), aber ich finde die sollten in Rente gehen. Irgendwann sollte man aufhören auf der Bühne rum zu hüpfen als wäre man auf einem Trip. Bei anderen ist es sehr schade. Running Up That Hill wäre live grandios gewesen, Kate Bush eine Augenweide, aber immerhin haben sie es eingebunden. David Bowie wäre auch ein Highlight gewesen. Doch der scheint seit Jahren die Öffentlichkeit zu scheuen. So mussten die Zuschauer sich mit einem Medley und einer abgefahrenen Computer Animation zufrieden geben. An dieser Stelle muss Mal gesagt werden: was sind das für Genies, die solche Effekte auf die Beine stellen?
Zu dem Trio Tinie Tempah/Taio Cruz/Jessie J weiß ich gar nicht was ich sagen soll. Tinie Tempah wer? Und was hat sich Jessie J dabei gedacht den ganzen Abend in diesen Ganzkörperkondomen die sie haben aussehen lassen wie Fleisch im Darm auch bekannt als Wurst (wenn auch eine Schlanke) rum zu turnen. Für eine Abschlussfeier der Olympiade? Ernsthaft??
Meine große Bewunderung hatte Annie Lennox. Ich liebe diese Frau, ich liebe ihre Stimme und ihr Auftritt war einfach perfekt.
Viele Klassiker waren dabei. Eric Idle mit seinem Evergreen. Ich mag den Song, der ist süß und hat doch gepasst. Wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass es eine Fehlzündung gab als versucht wurde ihn wie Baron von Münchhausen aus der Rakete zu schießen. Ich weiß nicht ob es so gedacht war, dass er da so raus plumpst. Hm?!?
The Who, die spätestens seit C.S.I. weltweiten Ruhm erlangt haben. Ich habe gelesen die wollten ursprünglich auch absagen. Doch dann, haben sie die Chance gesehen ihre anstehenede Tour in den U.S.A. zu promoten. Das nenn ich Marketing. Keine dumme Briten diese Herren.
Die Kaiser Chiefs habe ich unter die Rubrik Wir-führen-alles-auf-was-wir-haben verbucht. Sind coole Kerle (trotz ihrer engen und hoch gekrempelten Hosen) und machen gute und handgemachte Musik. Aber ich glaube viele haben gar nicht gewusst wer das ist.
Russel Brand hingegen ist ja bekannt wie keiner, seit er America's Sweetheart Katy Perry geehelicht und betrogen hat. Musikalisch hat er es auch krachen lassen. Sein Megaphon-Gesang und dieser ganze Hippie und Flower Power Zauber waren erfrischend. Hatte fast was magisches fand ich.
Direkt im Anschluss kam Fatboy Slim in einem hässlichen Hemd und mit einer Haarfarbe die ihn stark nach HP Baxxter hat aussehen lassen. Aber als bekanntester DJ der Insel durfte er natürlich nicht fehlen. Um die Vielfältigkeit der Show zu belegen, gehörte auch der Auftritt einer Primaballerina: Darcey Bussel, bekannteste englische Ballettänzerin. Tolle Idee fand ich, sie hat sehr schön und anmutig getanzt und es war eine bezaubernde Einlage.
Was allerdings die Modelschau sollte, leuchtet mir bis heute nicht ein. Jeder weiß, dass Kate Moss aus England stammt, spätestens seit sie auf jedem zweiten Shirt mit einem Schnurrbart zu sehen ist. Aber inwiefern regt sie oder eine Naomi Campbell zum feiern an, bzw tragen was dazu bei. Ich schätze Mal das gehört auch in die Rubrik Wir-führen-alles-auf-was-wir-haben. Die hätten Badges gestalten sollen mit der Aufschrift "Made in GB <3".
Die Modernen Visionen von Pink Floyd und Queen waren überhaupt nicht mein Geschmack. Ich halte nichts davon so junge Leute wie Ed Sheeran oder Jessie J an solche musikalische Institutionen ran zu lassen. Nichts gegen die jungen Küken, sie waren gesanglich spitze aber ich finde das passt einfach nicht. Man hätte es bei einer Einspielung auf Leinwand mit altem Bildermaterial und Spezialeffekte belassen sollen, wie bei Bohemian Rhapsody. Am Ende kommt nämlich das dabei raus was dann passierte: Fans und Publikum die offensichtlich zu jung und planlos sind, haben alle geglaubt Wish You Were Here wäre der neue Song von Ed Sheeran. Entschuldigt, das ist nicht lustig!
Meine Top 3 Darbietungen waren (die Reihenfolge ist wilkürlich):
1. George Michael. Ist der Mann sexy, oder was! Schwul, hin oder her, der Mann ist pure Coolness. Der steht da ganz alleine, ohne Tänzer, Artisten oder Leinwand im Rücken, in einem großen Stadion, und er reißt die Massen mit. Seine Bewegungen, Schritte, seine Klamotten, er ist so lässig, da sieht ein Bieber ganz schön lächerlich aus daneben. Außerdem: welche Botschaft passt besser als Freedom?
2. Spice Girls. Mal ehrlich, habt Ihr nicht auch das Gefühl gehabt die Zeit wäre stehen geblieben? Bis auf die wenigen Kilos mehr auf Mel B's Hüften haben die doch ausgesehen wie früher. Und wie die auf diesen Autos da rum geflitzt sind, ich war beeindruckt. Ich wäre wahrscheinlich grazil über die Stange geflogen. Grandioses Revival. Damit haben die würzigen Ladies Millionen von Menschen Spaß und Freude zubereitet. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit.
3. Take That im schwarz-goldenen Militärstil. Oh mein Gott! Zugegeben, ich war als Teenie ein Fan und bin leicht voreingenommen. Doch ernsthaft: dies war der rührendste Moment des abends. Für die, die es nicht wissen: Gary Barlow hat eine Woche zuvor miterleben müssen wie seine Tochter tot auf die Welt kam. Zu sehen wie er sein privates Unglück zurück gesteckt hat um an diesem Abend da zu sein...überwältigend. Er wollte diese Once in a Lifetime Gelegenheit seinen Kollegen nicht entgehen lassen und hat Stärke und Professionalität bewiesen. Was man von seinem Kollegen Robbie nicht behaupten kann, der nicht erschienen ist. Doch man kann erahnen, dass er in seinem Herzen und seinen Gedanken Zuhause war bei seiner Familie. Als er angefangen hat zu singen haben seine Kollegen Marc und Jason, jeweils links und rechts von ihm ihn beobachtet. Das waren Blicke voller Verständnis, Stolz und Mitgefühl. Und dann dieses Lied...Rule The World hat was theatralisches, spektakuläres, perfekt um das Feuerwerk einzustimmen. Also wer da nicht gerührt war, der sollte sich beim einem Kardiologen untersuchen lassen.

Nicht zu vergessen: der Vorgeschmack auf Brasil 2016. In 4 Worten: bunt, rythmisch, heiß, lustig.
Ich freue mich. Wir werden viel neues sehen und hören

Ich habe mich übrigens gefragt: wenn die Spiele in deutschland statt finden würden, wer würde dann auf der Bühne stehen? Ich habe angefangen alle Winkel meines Hirnes nach deutschen, international bekannten Größen zu durchforsten. Da sind mir eingefallen: der gebleichte HP Baxxter (wenigstens eine Gemeinsamkeit mit den Briten), der Hyper! Hyper! gröhlt, die dauerbreite Nena und ihre Luftballons, die Kaulitz Brüder und die Scorpions mit ihrem gepfeife. Versteht mich nicht falsch, es gibt tolle deutsche Künstler. Die kennt im Ausland nur kein Mensch. Vielleicht lassen die dann einfach einen DJ nach dem anderen auftreten, davon haben wir ja n paar. Oder die kramen die 90er wieder aus. Das fänd ich persönlich klasse. Stellt Euch vor: Olympics 2020 mit Mr. President und Dr. Alban. Entschuldigt, wieder nicht lustig.

Zurück zu London 2012. Ja, man hätte sich vieles sparen können. Anderes hätte ich mir gewünscht.
Vor allem aber war es eine beeindruckende und große Leistung der Künstler und der Organisatoren.
Ich weiß nicht, ob so ein Ausmaß noch zu toppen ist.
Und zum Abschluss möchte ich ein paar Zeilen der britischen Musik widmen. Ich habe letztens noch mit einer Kollegin über den unverkennbaren Klang der englischen Musik gesprochen. Ob rockig, punkig, popig oder elektronisch, die haben ihren eigenen Stil. Lilly Allen, Amy McDonald, The Kooks, Little Boots, The Pipettes...wenn Ihr sie Euch anhört wisst Ihr bestimmt was ich meine.

Also England: Ihr habt ganz viel tolles und Ihr dürft es ruhig öfters aufführen ;)

Music rules the world, Eure Paulette.


 

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