Sonntag, 2. September 2012

Kurt Tucholsky über die Liebe

Heute etwas Poesie, etwas für den Geist und für die Seele, etwas zum nachdenken und zum nachempfinden.
Nicht aus meiner Hand, versteht sich von selbst. Die lyrische Grausamkeit möchte ich Euch ersparen.
Die foldenden zwei Werke stammen aus der Feder von Kurt Tucholsky. Leider hat er nicht lange gelebt, er wurde nicht älter als 45. Doch hat er, als er 1953 starb, unglaublich viel hinterlassen. Als Journalist, Satiriker, Autor, Publizist, Kritiker für Film, Literatur und Musik ist er eine prägende Persönlichkeit dieser Zeit gewesen.
Ich habe mich in diese Gedichte verliebt. Weil sie so nah an der Realität und so einfach geschrieben sind. Und weil sie so treffend zu meiner Geschichte und meinem Leben passen...
Ich hoffe Sie gefallen Euch...
 
Ich hab dir alles hingegeben:
mich, meine Seele, Zeit und Geld.
Du bist ein Mann – du bist mein Leben,
du meine kleine Unterwelt.
Doch habe ich mein Glück gefunden,
seh ich dir manchmal ins Gesicht:
Ich kenn dich in so vielen Stunden –
nein, zärtlich bist du nicht.

Du küsst recht gut. Auf manche Weise
zeigst du mir, was das ist: Genuss.
Du hörst gern Klatsch. Du sagst mir leise,
wann ich die Lippen nachziehn muss.
Du bleibst sogar vor andern Frauen
in gut gespieltem Gleichgewicht;
man kann dir manchmal sogar trauen ...
aber zärtlich bist du nicht.

O wärst du zärtlich!
Meinetwegen
kannst du sogar gefühlvoll sein.
Mensch, wie ein warmer Frühlingsregen
so hüllte Zärtlichkeit mich ein!
Wärst du der Weiche von uns beiden,
wärst du der Dumme. Bube sticht.
Denn wer mehr liebt, der muss mehr leiden.
Nein, zärtlich bist du nicht.

 

Einmal müssen zwei auseinandergehn;
einmal will einer den andern nicht mehr verstehn -
einmal gabelt sich jeder Weg - und jeder geht allein -
wer ist daran schuld?

Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.
Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.
Jeder trägt den andern mit sich herum -
etwas bleibt immer zurück.

Einmal hat es euch zusammengespült,
ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen, und dann erkühlt -
Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab -:
ein neuer Mensch.

Jeder geht seinem Schicksal zu.
Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.
Jeder sucht seine Zukunft. Und geht mit stockendem Fuß,
vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und Gruß
in ein fernes Land.


Kurt Tucholsky


...Eure Paulette.

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