Samstag, 18. Mai 2013

Superwoman // Meine Heldin des Tages


Heute soll es nicht um mich gehen. Kein Blick in den Spiegel, kein Satz der mit "Ich" beginnt.
Dieser Beitrag ist einer Frau gewidmet, deren Name mir unbekannt ist. Sie ist mir im Grunde fremd. Und wenn sie nicht regelmäßig bei mir im Restaurant sitzen würde, wäre ich ihr womöglich nie begegnet. Sie ist schätzungsweise ende fünfzig. Früher kam sie immer in Begleitung ihres Mannes. Ich weiß gar nicht ob sie spielt oder ob sie nur zum essen kommt. Denn es gibt durchaus auch Menschen die ins Casino gehen und nicht zocken. Sie trinken was an der Bar oder lassen sich von mir leckeres Essen servieren.
Zurück zu meiner Hauptfigur: sie ist eher unauffällig, ruhig. Sie gehört nicht zu den Menschen, die meinen mit der Bedienung immer ein Gespräch zu suchen.
Eine Weile haben wir sie nicht mehr gesehen. Aufgefallen ist es mir erst als meine Kollegin mich auf sie ansprach. Sie erzählte mir ihr Mann wäre gestorben. Einige Monate hat es gebraucht und dann war sie wieder da.
Sie saß an Tisch 730. Sie lächelte mich an als ich auf sie zuging. Sie brauchte keine Speisekarte. Sie bestellte dasselbe was sie immer bestellte. Als hätte sich nichts verändert. Ein Glas Crémant, die Froschschenkel und dazu ein Glas Rosé. Wie immer, dabei ist alles anders.
Ein Mal in der Woche ist sie bei mir. Sie sitzt immer an ihrem Tisch (außer er ist besetzt), nippt an ihrem Getränk und knabbert an den kleinen Knochen. Gestern waren die Froschschenkel aus, und sie musste was anderes bestellen. Ich hab ihre Enttäuschung darüber deutlich sehen können, sie hatte sich so gefreut. Danach gönnt sie sich einen Espresso und manchmal einen Grappa.
Und jedes Mal fühlt es sich an als würde mein Herz platzen.
Sie geht aus, gönnt sich Wein und Delikatessen. Sie macht weiter.
Doch wenn sie da sitzt frag ich mich: kommt sie zu uns um unter Menschen zu gehen und nicht alleine Zuhause zu sitzen? Tut sie aktiv was um die neue Situation zu meistern? Oder hängt sie an den Gewohnheiten die sie mit ihrem Mann gemeinsam hatte? Möchte sie die Erinnerungen beibehalten. Vielleicht steckt sie noch in dem alten Leben fest. Sie schafft es womöglich nicht zu akzeptieren, dass er nicht mehr da ist. Sie bringt nie jemand anderen mit, eine Freundin oder ein Familienmitglied. Sie ist immer alleine.
Und auch wenn sie lächelt, hab ich das Gefühl: im Herzen ist sie sehr einsam und traurig.
Jedes Mal verkrampf ich innerlich und spüre ein Brennen auf der Brust. Sie und ihr Schmerz tun mir unendlich leid. Am liebsten würd ich es ihr sagen. Doch bin ich als Kellnerin nicht in der besten Position um ihr so nahe zu treten. Wir kennen uns doch überhaupt nicht. Außerdem glaub ich, dass sie nicht scharf auf Mitleid oder Mitgefühl ist.
Auf eine unerklärliche Weise fühl ich mich dieser Frau verbunden. Sie will gelassen und gefasst wirken, wie eine Frau die mit sich im reinen ist und ihr Leben wieder genießen kann. Ob es so ist, werd ich wohl nie erfahren. Doch sie versucht es. Und das ist doch alles was zählt, dass man es versucht. Egal wie aussichtslos die Situation zu sein scheint, man soll sich nicht aufgeben und kämpfen.
Und sie ist eine Kämpferin.
Wahrscheinlich wird sie diese Zeilen nie lesen. Doch sollte sie wissen...


...Ich finde Sie großartig!
 
 ( Dieses "Ich" musste sein )
 
 
An alle mutige und starke Menschen da draußen, die trotz allem das Lachen nicht vergessen,
 
Eure Paulette.
 
 
"I am Superwoman. Yes, I am. Yes, she is..."
 
 
 
 
Alicia Keys // Superwoman



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen